Alltäglicher Realitäts-Autismus
Manchmal hilft nur noch Ubik-Spray...
Die zwischenmenschliche Kommunikation ist eines der größten Missverständnisse in der Geschichte der Menschheit. Genau genommen kommunizieren wir überhaupt nicht miteinander, sondern vor allem mit uns selbst. Ich weiß nicht, wie andere Menschen über mich denken. Ich weiß immer nur, wie ich selbst denke, dass andere Menschen über mich denken. Ich weiß auch nicht genau, was meine Mitmenschen mir sagen möchten. Ich kenne nur meine eigene Interpretation dessen. Im Grunde genommen hat das, was von anderen Menschen bei mir ankommt, meistens mehr mit mir selbst zu tun als mit meinem Gegenüber.
Da braucht es mich nicht zu wundern, dass sich die Realität manchmal in erschreckender Weise verändert. Dann brauche ich keine Matrix-Theorien, meine Wahrnehmung macht sich einfach wieder einmal auf die große Reise durch die Multiversen.
Das Wahrnehmen von Realität und das Erschaffen von Realität sind vermutlich nur zwei Seiten des selben Sachverhalts. So wie ich meine Umwelt entdecke, erschaffe ich gleichzeitig auch eine Kopie derselben in meinem Kopf. In der Größenordnung meiner bisherigen Erkenntnis. Die Realität, in der ich mich real bewege, erreicht dabei maximal die Dimension, die ich in meinem eigenen Kopf mit mir trage. Ich kann sie schließlich nur mit jenen Mustern abgleichen, die ich bereits in mir gespeichert habe.
Ich bilde mir ein, schöpferisch tätig zu sein, wenn ich eine neue Geschichte schreibe, ein Spiel erfinde oder eine neue Website designe. Doch genau genommen ist alles, was existieren kann, hypothetisch schon längst vorhanden. Streng genommen habe ich noch nie etwas erfunden. Niemand hat das. Ordne die Pixel eines Computermonitors in allen denkbaren Variationen an und Du bekommst (neben vielem bunten Wirrwar) jedes Gemälde der Menschheitsgeschichte. Und das ganz ohne Maler. Ordne die Bits einer Festplatte in allen Möglichkeiten, und Du bekommst jede Software, die jemals geschrieben worden ist und geschrieben werden wird. Und das ganz ohne illegalem Download. Alles, was möglich ist, kann auch rekonsturiert werden. Das Universum vergisst nichts. Das Licht der Sterne am Himmel zeigt Himmelskörper Millionen Jahre in der Vergangenheit. Aus der richtigen Entfernung kann ich jeden Moment der Menschheitsgeschichte beobachten. Hierzu habe ich eine Kurzgeschichte geschrieben.
Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist bestenfalls ein notdürftiges Modell für die Realität. Genau genommen besteht unsere Materie vor allem aus hohlen Zwischenräumen, alles andere ist unserer Einbildung geschuldet.
Was bringen mir all diese Erkenntnisse? Nicht viel. Kurze Momente, in denen ich Abstand finde vom Einlerlei des Alltags. In denen ich das Gefühl habe, dass alles doch ganz anders ist, als ich es manchmal glaube. Und dann setze ich mich hin, mache meine Arbeit und fühle mich wieder wohl in der Soße meiner bisherigen Erkenntnis, schreibe ein paar Texte für meine Kunden oder erstelle ein paar Codes für neue Websites. Und auch das ist so nicht schlecht.